Ziel des Teilvorhabens

„Prävention von Belastungen bei formalisierter Arbeit in der stationären Krankenpflege“ ist es, Gestaltungsmaßnahmen für einen verhaltens- und verhältnisbezogenen Arbeits- und Gesundheitsschutz für Interaktionsarbeit in der Dienstleistung am Beispiel der Krankenpflege zu entwickeln. Das Teilvorhaben wird vom Klinikum Augsburg durchgeführt, das für die Erreichung dieses Ziels eng mit dem Teilvorhaben der Universität Augsburg zusammenarbeitet.

Das Klinikum Augsburg ist ein kommunales Großkrankenhaus der höchsten Versorgungsstufe mit Schwerpunkt Akutversorgung. Die Qualität der Pflege hat – gemäß der im Pflegekonzept festgelegten Leitlinien Professionalität, Qualität und Respekt – einen hohen Stellenwert, und das betriebliche Gesundheitsmanagement zielt darauf ab, die Gesundheit der Mitarbeiter zu erhalten und zu stärken. Gleichzeitig steht die Optimierung der Arbeitsorganisation, der Arbeitsprozesse, der Arbeitsplatzgestaltung und der Arbeitsumgebung im Fokus. Auch die Erfahrungen des Klinikums verweisen auf neue und insbesondere psychische Belastungskonstellationen, die aus dem Spannungsfeld von Formalisierung und den notwendigen Anforderungen an die Arbeit an und mit Patienten entstehen. Prozesse der Formalisierung so zu gestalten, dass die für die Pflegearbeit notwendigen informellen Praktiken der Pflegekräfte Berücksichtigung und Anerkennung finden, ist eine zentrale Aufgabe für die Pflege der Zukunft. Auf diesem Wege sollten sich die Belastungen in der Pflege reduzieren und die Versorgungsqualität in der Krankenpflege entscheidend fördern lassen.

Das Klinikum Augsburg stellt den Forschungszugang für die qualitativen Fallstudien her, organisiert ihn und führt eigene empirische Untersuchungen für die Fallauswahl durch. So kommen für die Fallstudien z.B. in Frage: formalisierte Standardsituationen im Team (wie die Digitalisierung der Schichtübergabe); die Formalisierungen der Schnittstellen zwischen Teams, wie sie bei der Arbeit von Springern (Pflegekräften, sie systematisch auf verschiedenen Stationen tätig sind) eine Rolle spielen; die Formalisierung von Arbeitsprozessen in interprofessionellen Teams. Das Teilvorhaben interpretiert das von der Universität Augsburg erhobene Material aus einer fachdisziplinären Perspektive (Pflegewissenschaft).

Auf der Grundlage der Forschungsergebnisse zu den Belastungssituationen bringt das Teilvorhaben seine Expertise für die Entwicklung der Instrumente für einen personen- und arbeitsproblemorientierten Arbeits- und Gesundheitsschutz ein. Vor allem aber werden vom Teilvorhaben – auf der Grundlage des entwickelten Instrumentariums zur Identifizierung gesundheitsrelevanter Belastungskonstellationen in der Pflege – exemplarisch Maßnahmen für ein verhaltensbezogenes partizipatives Präventionsmanagement und ein verhältnisbezogenes experten- und vertrauensbasiertes Qualitätsmanagement bei Interaktionsarbeit in der Krankenpflege entwickelt.

Das partizipative Präventionsmanagement bei Interaktionsarbeit setzt auf der Verhaltensebene an und hat zum Ziel, die Beschäftigten für die Art der Belastungskonstellationen und den eigenen Umgang damit zu sensibilisieren. Gleichzeitig werden die Beschäftigten in die Entwicklung von Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz bei Interaktionsarbeit einbezogen. Was den Einsatz informeller Praktiken und situativen Handelns betrifft, sind die Beschäftigten die relevanten Experten für ihre Arbeit; dabei bringen die Beschäftigten diesem Anteil ihrer Arbeit selbst keine besondere Wertschätzung entgegen, sondern betrachten das als etwas Selbstverständliches. Das partizipative Präventionsmanagement lässt sich auch für Führungskräfte ausarbeiten, die für Dilemmasituationen in der Krankenpflege sensibilisiert und dann befähigt werden, die Kompetenzen zu erfassen und zu stärken, die die Pflegekräfte im Umgang mit der Formalisierung von Pflegeprozessen brauchen. Das Präventionsmanagement soll folgendermaßen aussehen: Auf der ersten Stufe werden die empirischen Ergebnisse in Workshops präsentiert und von den Beschäftigten im Hinblick auf Arbeitsprobleme, Umgangsweisen und Belastungen reinterpretiert; auf einer zweiten Stufe werden die notwendigen Kompetenzen zum Erkennen eigener Lernnotwendigkeiten in Bezug auf den präventiven Arbeits- und Gesundheitsschutz und zum Erhalt der Handlungs-, Beschäftigungs- und Leistungsfähigkeit erarbeitet; auf einer dritten Stufe wird danach gefragt, wie Arbeitsprozesse aus der Sicht der Beschäftigten gestaltet werden müssen, um situatives Handeln zu ermöglichen und zu fördern, ohne die beschriebenen Arbeitsprobleme auszulösen.

Die Maßnahmen für ein experten- und vertrauensbasiertes Qualitätsmanagement setzen an der Frage an, wie Instrumente der Formalisierung so gestaltet werden können, dass die notwendigen informellen Praktiken implementiert, gefördert und weiterentwickelt werden. Das Klinikum Augsburg steht vor dem Problem, dass Pflegekräfte mit ihrer hohen Orientierung am Wohl der Patienten den anfallenden Dokumentationsaufwand als einen Gegenspieler zur Arbeit an den Patienten empfinden und die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit gefährdet sehen – zumal sich die Patientenrolle ändert und die Patienten auch auf die Formalisierung des Patientenhandelns reagieren. Gleichzeitig bietet das anvisierte Qualitätsmanagement auch Möglichkeiten, die Kompetenzen älterer erfahrener Pflegekräfte den Nachwuchskräften zu vermitteln. Das Teilvorhaben beabsichtigt, hierfür u.a. an einem Qualitätsmanagement zu arbeiten, das Handlungsspielräume in der Interaktions- und Innovationsarbeit nicht nur zulassen, sondern auch aktiv bereitstellen kann. Das kann durch ein Formalisierungsverfahren geschehen, in das die unmittelbare Face-to-Face-Interaktion mit den notwendigen Handlungsspielräumen systematisch eingebaut ist. Besonders berücksichtigt wird auch die Einbettung eines solchen Qualitätsmanagements in die Rahmenbedingungen – etwa, was die jeweilige Rolle der Führung betrifft.

Die Maßnahmen werden entwickelt, durchgeführt, (von der Universität Augsburg) evaluiert und in die Breite transferiert. Sie sollen dazu beitragen, Arbeitsplätze zu schaffen, an denen Pflegekräfte gesund ihren Kernqualifikationen nachgehen können. Deshalb spielt der Transfer eine wichtige Rolle. Die Maßnahmen werden daher innerhalb des Klinikums, in die Arbeitsgemeinschaft kommunaler Großkrankenhäuser, in der regionalen Krankenhauslandschaft und in Netzwerke und Institutionen der Pflegewissenschaften, des Pflegemanagements und – zusammen mit den Umsetzzugspartnern – in weiteren Unternehmen der Gesundheitsbranche und in der Arbeitsgestaltung sowie auf einschlägigen Fachtagungen verbreitet. Eine wichtige Rolle spielt auch das praxisorientierte Symposium, das das Teilvorhaben federführend verantwortet. Das Symposium wird kurz nach der Mitte der Projektlaufzeit voraussichtlich im Klinikum Augsburg stattfinden; alle Teilvorhaben werden ihre Ergebnisse vorstellen.